Gerade bereite ich mich auf einen Vortrag in einer Kita vor. Das Thema wird sein: „Wie erziehe ich meine Kinder zu glücklichen Erwachsenen“. Wie komme ich dazu? In meiner Arbeit mit (jungen) Erwachsenen, und auch bei mir selbst, habe ich immer wieder gemerkt, wie uns das, was wir als Kinder gelernt haben, ein Leben lang begleitet. Da bilden wir – mehr oder weniger hilfreiche – Grundüberzeugungen heraus, die wir dann oft bis zu ihrer Entdeckung unbewusst mit uns herumtragen und die unser Handeln und unsere Gefühle beeinflussen. Solche Grundüberzeugungen nennt man dann oft „Glaubenssätze“. Das ist auch überhaupt nicht schlimm, wenn diese positiv sind, wie z.B. „Egal was ich tue, ich bin liebenswert“ oder „Was ich anpacke, kann ich schaffen.“
Wenn diese aber negativ sind wie z.B. „Nur, wenn ich in dem, was ich tue, gut bin, bin ich liebenswert“, oder „Was ich anpacke, geht schief“, dann lohnt es sich da genauer hinzuschauen. Da können wir als Erwachsene im Nachhinein daran arbeiten und so durch das Lesen von Büchern, Hören von Podcasts, Lesen von Newslettern, Sprechen mit Freunden und Familie, … uns dieser Überzeugungen bewusstwerden und diese verändern.
Für diejenigen unter uns, die Kinder haben, ist es auch spannend und meiner Meinung nach extrem hilfreich und wertvoll, sich damit auseinanderzusetzen, wie ich meinen eigenen Kindern hilfreiche Grundüberzeugungen mitgeben kann.
Der erste Schritt ist, meiner Meinung nach, zwischen Beobachtungen und Bewertungen zu unterscheiden.
Lass mich dir hierzu eine Frage stellen: Was ist deine typische Reaktion, wenn deine beste Freundin, dein bester Freundin zu dir kommt und dir berichtet, dass in letzter Zeit alles schiefläuft?
Die meisten Menschen, die ich kenne – und auch ich selbst, ich möchte mich da überhaupt nicht ausnehmen – reagieren damit, dass sie trösten und sagen „Das ist doch nicht so schlimm. Das wird sicher wieder besser. Es passieren doch auch viele gute Dinge.“
Wenn du dich nun in die Situation der Freundin hineinversetzt – wie hilfreich findest du das?
Meine Wahrnehmung ist, dass Viele dieses gut gemeinte Trösten überhaupt nicht hilfreich und trostspendend finden. (Manchmal kann es aber sehr wohl tröstend sein, wenn uns das jemand sagt!) Woran liegt das? Es ist eine Bewertung der Situation, die wir gerade ganz anders empfinden.
Was wäre also hilfreicher?
Eine Möglichkeit ist statt der Bewertung, einfach nur zu beobachten und das, was wir sehen und hören – auch zwischen den Zeilen, empathisch wiederzugeben. Das könnte dann sowas sein, wie „Du bist also traurig/deprimiert/entmutigt, weil du meinst, dass in letzter Zeit alles schiefläuft?“
Du hast damit nichts bewertet, sondern einfach in einer empathischen Weise wiedergegeben, wie deine Freundin sich fühlt.
Und was ist die Reaktion deiner Freundin? Sie fühlt sich verstanden. Und auch wenn du ihre Emotion nicht richtig getroffen hast, so hat sie jetzt einen Anhaltspunkt, von dem aus sie weitererzählen kann. Und sie spürt, dass du sie verstehen willst und ernst nimmst.
Viele wenden an dieser Stelle ein: „Aber wenn ich ihr nicht widerspreche, heißt es dann nicht, dass ich ihr zustimme, obwohl ich nicht ihrer Meinung bin?“
Nein, so ist es nicht! Du hast damit lediglich gespiegelt, was sie gesagt hat, aber nichts darüber gesagt, ob du ihrer Meinung bist oder nicht.
Ich möchte dich also dazu ermutigen, öfters einmal zu probieren, einfach nur zu spiegeln und nicht zu bewerten. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es einerseits die Beziehung stärkt und andererseits auch für dich viel leichter und weniger anstrengend ist. Denn du musst weder überlegen, was du für Gegenargumente anbringen musst, noch hast du das Gefühl in irgendeiner Art „ankämpfen“ zu müssen.
Was bedeutet das nun für die Kindererziehung? Genau das Gleiche! Auch wenn Kinder an sich zweifeln, wütend, ärgerlich, traurig sind, … ist eine andere Möglichkeit, sie nicht vom Gegenteil überzeugen zu wollen, sondern empathisch wiederzuspiegeln, was sie gerade empfinden.
Wenn dein Kind nun bei seinem Freund zum Spielen ist und nicht mit heimgehen möchte, hast du vielleicht so etwas bisher gesagt: „Jetzt hast du so lange hier gespielt, nun langt es auch mal. Hör auf damit.“ Oder „Man sollte gehen, wenn es am schönsten ist.“ Oder „Wenn du immer so ein Theater machst, dann darfst du nicht mehr zu … gehen.“
Wenn du nun das obige berücksichtigst, könntest du stattdessen sagen: „Bist du traurig, weil du so schön mit deinem Freund gespielt hast und am liebsten noch ganz lange weiterspielen würdest?“
Damit hast du nicht bewertet „Du machst ein Theater…“, sondern einfach nur die Gefühle wiedergespiegelt.
Ich gebe zu, dass das nicht unbedingt dein Kind zu einem Engel werden lässt. Aber es lernt eine wichtige Botschaft, nämlich: Deine Gefühle sind völlig in Ordnung. Und auch: Unsere Mutter-Kind-Beziehung ist davon nicht betroffen.
Überzeugungen, die auch für uns als Erwachsene sehr hilfreich und gesund sind!